Agile Servicemanagement in der Praxis? Sechs Beispiele

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Ganz im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung lassen sich die Denkweise des „agil seins“ und das Servicemanagement sehr gut miteinander vereinbaren, wie ich schon in meinem vorherigen Blogartikel erklärt habe. Aber wie setzen Sie die agile Philosophie am Besten im Arbeitsalltag um? Im Folgenden finden Sie sechs Beispiele.

Für das Agile Servicemanagement gibt es im Gegensatz zu ITIL keine ausführlichen Prozessbeschreibungen, die Sie im Detail befolgen können. „Agil sein“ ist eine Philosophie anhand der Sie bestimmen, wie Sie Ihre Arbeitsweise gestalten wollen. Dabei können Sie natürlich viel von anderen Unternehmen lernen. Ich werde Ihnen anhand der Prinzipien des Agile Servicemanagements von Dolf van der Haven sechs praktische Beispiele nennen, wie Sie Ihr Servicemanagement agiler gestalten können.

1. Sorgen Sie dafür, dass all Ihre Aktionen einen Nutzen für den Melder haben

IT-Abteilungen investieren oft viel Zeit in Dinge, die den Mitarbeitern und Kunden (Meldern) wenig Nutzen bringen. Vor kurzem habe ich ein Unternehmen besucht dessen IT-Abteilung eine ausführliche Anleitung für ein neues Smartphone geschrieben hatte. Das mag zunächst nützlich klingen, allerdings konnte jeder die Informationen dazu bereits im Internet finden. Außerdem wird die Anleitung mit dem nächsten Update des Betriebssystems nicht mehr aktuell sein.

Eine agilere Methode zur Dokumentation ist, die in der Anleitung enthaltenen Informationen auf das absolut Notwendigste zu beschränken und diese Anleitung dann einer kleinen Testgruppe zur Verfügung zu stellen. Beschreiben Sie nur auf Ihr Unternehmen bezogene Vorgänge, wie z. B. die Synchronisierung Ihrer geschäftlichen E-Mail-Adresse mit dem neuen Smartphone. Stellt Ihre Testgruppe Fragen? Dann aktualisieren Sie die Anleitung, bevor Sie damit anfangen, das Smartphone auszugeben.

2. Arbeiten Sie immer eng mit Ihren Meldern zusammen

Beim Konzipieren von Services oder Prozessen stützen sich Serviceprovider oft auf Annahmen zu den Bedürfnissen Ihrer Melder. Ein kleines Beispiel: Ein Facility-Unternehmen hat jahrelang seine Kunden dazu angehalten, bei jeglichem Problem mit dem Bürogebäude eine Anfrage einzureichen. Vor kurzem wurde festgestellt, dass die Kunden es sehr nervig finden, fünf oder sechs Status-Update E-Mails zu einer einzelnen Anfrage zu erhalten. Deshalb haben viele Kunden aufgehört, Anfragen überhaupt einzureichen.

Beim Agile Servicemanagement beziehen Sie Ihre Melder so oft und so früh wie möglich in sämtliche Prozesse mit ein. Somit vermeiden Sie, anhand von Annahmen zu handeln. Das Unternehmen aus dem Beispiel hat zusammen mit seinen Kunden eine Lösung entwickelt. Wenn Kunden eine Anfrage einreichen, können Sie ein Häkchen setzen, wenn sie Status-Updates erhalten möchten. Eine einzige Frage und eine kleine Checkbox hätten gereicht, um fünf Jahre Frust zu vermeiden.

3. Die richtigen Menschen an den richtigen Stellen

Viele IT-Unternehmen bauen sehr stark auf Prozesse. Das Ziel beim Einsatz von Prozessen ist, immer für eine kontinuierliche Servicequalität zu sorgen, egal von wem der Service geleistet wird. Klingt theoretisch erst mal gut. In der Praxis ist es aber nicht egal, von wem ein Service kommt. Beim Melder bleibt von einem demotivierten Servicedesk-Mitarbeiter ein weniger positiver Eindruck hängen, als von einem glücklichen, motivierten Mitarbeiter. Diesen Unterschied können Sie nicht mit einem Prozess ausgleichen.

Deshalb ist ein wichtiger Bestandteil der agilen Denkweise, Ihren Teammitgliedern genug Zeit und Beachtung zu schenken. Ihr Team funktioniert nur dann gut, wenn die Mitarbeiter ihre Arbeit gut verrichten und sie dabei auch glücklich sind. Ist ein Teammitglied nicht mehr motiviert? Sprechen Sie mit ihm oder ihr. Vielleicht wären sie oder er an einer anderen Stelle glücklicher.

4. Gestalten Sie Ihre Prozesse so flexibel wie möglich

ITIL-Prozesse sind für gewöhnlich nicht flexibel. Schauen wir uns z. B. das Changemanagement an. Eine Changeanfrage muss eine bestimmte Anzahl vorgegebener Schritte durchlaufen. Die einzige Entscheidung, die Sie dabei zu treffen haben, ist die Anfrage anzunehmen oder abzulehnen. Es gibt keinen Spielraum um Pläne zu ändern. Wenn Sie die Pläne ändern möchten, müssen Sie den Prozess abbrechen, einen neuen Plan erstellen und die Freigabe dafür bekommen.

Sorgen Sie deshalb dafür, dass die von Ihnen gestalteten Prozesse flexibel genug sind, sich an die stetig ändernden Anforderungen anzupassen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Sie auch jede einzelne Änderung während des Prozesses umsetzen müssen. Es bedeutet vielmehr, dass Sie Ihrem Team Freiheiten einräumen um nach eigenem Ermessen die Prozesse zu bearbeiten.

5. Gestalten, implementieren und verbessern Sie Ihre Services Schritt für Schritt

Neue Software oder Services zu implementieren kann Monate oder sogar Jahre dauern. Nach der Implementierung haben Sie so viele neue Erkenntnisse erlangt, dass Sie wahrscheinlich am liebsten alles gerade wieder ändern würden. An diesem Punkt ist allerdings das Budget aufgebraucht, die Teammitglieder des Projekts sind mit anderen Dingen beschäftigt und der Application Manager muss sämtliches Feedback alleine bearbeiten.

Neue Services auf eine agile Art und Weise bereitzustellen bedeutet so schnell wie möglich etwas Funktionierendes bereitzustellen, Feedback zu sammeln und mithilfe des Feedbacks das Produkt zu verbessern. Wir bei TOPdesk führen Implementierungen Schritt für Schritt durch. Zuerst richten wir eine einfache Version des Incidentmanagementprozesses ein und sobald dieser funktioniert, gehen wir live. Dieser Prozess ist nicht perfekt, aber das ist in Ordnung. Wir erhalten Feedback zur Verbesserung des Incidentmanagements, während wir am nächsten Prozess arbeiten.

6. Halten Sie Ihre Services und Abläufe überschaubar

Prozesse enthalten oft viele unnötige Schritte, die eine Freigabe durch einen Vorgesetzten erfordern. Die IT-Abteilung geht davon aus, dass das Management volle Kontrolle über jede einzelne Anfrage haben möchte. Oder die IT-Abteilung trägt keinerlei Verantwortung. Das führt zu einem Prozess, der sehr viele Freigaben erfordert und einem Vorgesetzten, der unzählige E-Mails mit Anfragen zur Freigabe erhält.

Dieser Prozess sollte nicht zu umständlich sein. Es funktioniert sehr viel besser, wenn die IT-Abteilung zunächst die Vorgesetzten fragt, wie viel Kontrolle sie überhaupt brauchen oder haben möchten. Normalerweise möchten sie solche E-Mails nämlich gar nicht erst bekommen. Eine alternative Lösung wäre, dass gar keine Freigaben erforderlich sind und den Vorgesetzten stattdessen monatliche Kostenübersichten bereitgestellt werden. Damit hat der Manager immer noch den Überblick und die Kontrolle über die Kosten, aber er oder sie muss nicht mehr so viele E-Mails bearbeiten und den Mitarbeitern wird schneller geholfen.

Unser Tipp: Starten Sie einfach und halten Sie die Dinge übersichtlich

Manchmal bekomme ich folgende Frage gestellt: „Womit sollte ich anfangen, wenn ich agiler arbeiten möchte?“ Die Antwort darauf ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Betrachten Sie Ihre aktuellen Services genau und vergleichen Sie diese mit den „agil sein“ Prinzipien. Welche Punkte laufen noch nicht reibungslos? Und welche Verbesserungen sind am leichtesten umzusetzen? Fangen Sie mit denen an. Nehmen Sie eine kleine Verbesserung vor. Bitten Sie um Feedback. Danach machen Sie direkt mit der nächsten Verbesserung weiter. Des Weiteren bietet Ihnen unser E-Book Agile Servicemanagement nützliche Tipps.

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